Jeden Tag ein Antrag, heute: PA140 – Gesundheitspolitik. (Grundsatzprogramm)
Worum gehts?
In einem gemeinsamen Antrag von AG Gesundheitspolitik und AG Gesundheit wird eine grundsätzliche Vision für die Gesundheitspolitik der PIRATEN formuliert. Anstelle der sonst üblichen Vorgehensweise im Bereich der Gesundheitspolitik, die in der Regel immer sehr kleinteilige und detaillierte Lösungen für ganz konkrete Probleme formuliert, wird hier ein viel grundsätzlicherer Ansatz gewählt. Daher wurden in dem Antrag erst einmal aus Sicht der PIRATEN grundlegende Ziele und Aufgaben für das Gesundheitssystem definiert.
Es werden drei Grundaussagen getroffen:
- Bei den PIRATEN steht der Mensch im Mittelpunkt des Gesundheitssystems.
- Die PIRATEN streben eine am Patientennutzen orientierte Gesundheitsversorgung an.
- Mit den PIRATEN wird das Gesundheitswesen über solidarische Beiträge finanziert und effizient organisiert.
Im ersten Punkt geht es um die Förderung von gesundheitlicher Bildung und insgesamt einer “Gesundheitskultur” innerhalb der Bevölkerung, mit deutlicher Stärkung der Rolle von Prävention, und der Inklusion von Menschen mit gesundheitlichen Einschränkungen. Dadurch sollen zukünftig deutlich mehr Krankheiten verhindert werden, bevor sie auftreten können und damit dann zu Lasten des einzelnen bzw. des Systems als ganzen fallen würden. Wobei sich dieses Ziel primär am einzelnen Menschen orientiert!
In Punkt Zwei geht es darum die Versorgung von Patienten flexibler und entsprechend den tatsächlichen Bedürfnissen zu regeln. Schlagworte sind dabei der selbstbestimmte Patient, Wirtschaftlichkeit, freie Arztwahl, die Rolle kommunaler Anbieter, Palliative Versorgung und der Fachkräftemangel. Vor allem wird hier die Auflösung der bisher starren Grenzen der Krankenversorgung angestrebt.
Und in Punkt Drei geht es um Finanzierung und Organisation von medizinischer Versorgung. Das betrifft im einzelnen den Leistungskatalog und das Abrechnungssystem, aber auch den Einsatz von Informations- und Kommunikationstechnologien, und Qualitätskontrolle. Wichtigstes enthaltenes Ziel ist eine solidarische Finanzierung des Gesundheitssystems durch alle Bürger und die Einschränkung der Privilegien von privaten Krankenversicherungen.
Was spricht dafür?
Letztendlich Alles! Wenn nur ein einziger Antrag zum Thema Gesundheitspolitik auf dem Bundesparteitag behandelt und angenommen werden sollte, dann dieser. Durch diesen Antrag gibt es ein sinnvolles Grundverständnis für alle weiteren Schritte in diesem Feld und es lassen sich prinzipiell viele zukünftige Positionen (und Antworten auf Fragen im politischen, bzw. parlamentarischen Alltag) daraus ableiten.
Was spricht dagegen?
Wer großer Verfechter von der traditionellen derzeitigen Aufteilung des Gesundheitsssystems in starre Sektoren mit klaren jeweiligen Abgrenzungen ist, der wird sich in diesem Antrag nicht wiederfinden können. Und auch wer für eine gehaltsunabhängige Finanzierung (“Kopfpauschale”) von Krankenkassen ist, für den ist dieser Antrag leider nichts.
Fazit?
Dafür! Dieser Antrag stellt einen sinnvollen Grundstein für die zukünftige Gesundheitspolitik der PIRATEN dar und sollte daher ins Grundsatzprogramm angenommen werden.
Naja, schon allein ‘Wirtschaftlichkeit’ als Grundsatz für Gesundheitspolitik ist problematisch, genau diese Ausrichtung ist ja hauptsächlich für derzeitige Probleme verantwortlich. Wir haben mit die höchsten Medikamentenpreise bei gleichzeitigen Innovationsstopp in pharmazeutischer Forschung, auf diesen essentiellen Kostenposten geht der Antrag nicht ein. Eng damit im Zusammenhang stehen piratische fragen der Urheber und Eigentumsfragen von Therapien, unwirtschaftlich wäre nämlich open source und open access.
Was soll der Quatsch mit dem aufgeklärten Bürger? Mal abgesehen davon dass viele relevante Informationen längst verfügbar sind und Prävention Bestandteil von Gesundheitspolitik ist, ernähren sich arme Menschen nicht deswegen ungesünder weil exorbitant ausufernde Blödheit um sich greift. Vielmehr schaffen es die Menschen teilweise aus Informations- und Reizüberflutung nicht oder aber haben schlicht- und ergreifend keinen Bock, übrigens ähnlich wie bei der Nutzweise des Internets. Das verdonnern dazu sich mit alles und jedem Bereich sich zu beschäftigen führt außerdem dazu das der Staat immer mehr Aufgaben des Schutzes der Bürger entledigt, das freut die FDP. Via Schulbildung, die ja aufgrund steigender Informationsmengen sowieso schon an Kapazitätsgrenzen gelangt wird nicht die soziale Assymetrie behoben. Fazit der Antrag ist teilweise konfus unklar und wiedersprüchlich in seinen Aussagen. Ich kann diesen Antrag nicht empfehle. Empfehlung, sagt doch mal einem Arzt das er bis dato nicht “am Menschen” behandelt.
Für die derzeitigen Probleme ist vor allem die marktwirtschaftliche Orientierung zusammen mit der zunehmenden Privatisierung von medizinischer Versorgung verantwortlich. Und ich bin mir sehr sicher, dass sich eine gute Gesundheitsversorgung praktisch nicht gewinnbringend umsetzen lässt, aber das entbindet nicht von der Notwendigkeit zum wirtschaftlichen Handeln. Und darum geht es in dem Antrag vor allem, wobei darunter implizit auch die derzeitigen Arzneimittelpreise fallen. Obwohl es bestimmt schöner gewesen wäre diese Forderung konkret auszuformulieren, da die Arzneimittelkosten einen erheblichen Anteil an den gesamten Kosten des Gesundheitssektors ausmachen. Andere Forderungen wie Open Access, Patente, etc. stehen bereits an anderer Stelle im Parteiprogramm und müssen deswegen meiner Meinung nach hier nicht nochmals aufgegriffen werden.
Ich kann ehrlich gesagt im streben nach einem aufgeklärten Bürger keinen Quatsch erkennen. Das betrifft direkt das Verständnis der verschiedenen Akteure in diesem Feld und ich halte es für ein wichtiges und generelles Anliegen der PIRATEN den Menschen mehr Möglichkeiten für Aufklärung und Weiterbildung anzubieten, damit diese dann selbst informierte(re) Entscheidungen treffen können. Und es geht hier sicher nicht darum Menschen zu bevormunden, oder ihnen um jeden Preis Wissen einzuhämmern, es geht darum Möglichkeiten für das selbstverantwortliche und informierte Handeln von Individuen anzubieten (Stichworte aus dem Antrag: “selbstbestimmer Patient” und “freie Wahl”).
Dein Fazit kann ich nicht teilen, insbesondere sehe ich keine teilweise konfusen und wiedersprüchlichen Aussagen. Aber vielleich magst du mir diese an ein paar Beispielen anschaulich machen? Und ein Arzt behandelt in der Regel einen “Patienten”, nicht explizit einen Menschen – in vielen privaten Krankenhäusern übrigens auch noch viel eher “für den Träger”.
Man muss beim Betrachten der Präventionsforschung feststellen: am besten schützt die Bildung vor Krankheit. Daher nimmt diese hier einen großen Platz ein, es gibt wohl auch keine Korrelation zum sozialen Status.
Zudem: es sind gerade viele Informationen NICHT verfügbar. Man versuche sich bitte an die wirklichen Qualitätsbenchmarks im stationären Bereich (nicht öffentlich) und im niedergelassenen Bereich (nicht existent) zu gelangen. Daher: es steht nicht alles explizit drin, daher ist es auch ein Grundsatzprogramm-Antrag und nicht für’s Wahlprogramm gedacht. Daher tauchen da auch Spezialgebiete wie die pharmazeutische Industrie nicht auf.